Was die Wirtschaft bewegt
15.05.2024
Die Bürokratie ist längst zum Megathema geworden – ihr Abbau, das erklärte Ziel der Bayerischen Staatsregierung.
Der Weg zu weniger Bürokratie ist nach Ansicht von MdL Walter Nussel, dem Beauftragten für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung und Vorsitzenden des Bayerischen Normenkontrollrates, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Für einen zentralen Schlüssel hält er den Blick aus der Praxis. „Die praktischen Auswirkungen von Maßgaben und Entscheidungen der Legislative und der Exekutive, aber auch der Judikative, müssen klar in den Fokus gerückt werden. Ohne ausreichende Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Praxis geht es nicht“, da ist sich Nussel sicher.
Dem Beauftragten für Bürokratieabbau ist es wichtig, auch die Verwaltung fortwährend für die Belange der Praxis zu sensibilisieren. Seiner Einladung folgend erläuterten daher Dr. Manfred Gößl und Dr. Josef Schwendner bei einer Hybrid-Veranstaltung in der Bayerischen Staatskanzlei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, wie es um die Unternehmenslandschaft angesichts bürokratischer Belastungen steht.
Mit den beiden Referenten konnte Nussel zwei erfahrene Praxis-Vertreter für seine Vortragsveranstaltung gewinnen. Dr. Gößl – seit 2019 Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern – und Dr. Schwendner – seit 2011 Leiter des Konzernbereichs Recht, Gremien, Compliance und Umwelt und seit 2016 Generalbevollmächtigter der Flughafen München GmbH – ließen keinen Zweifel daran, dass die Bürokratie das überragende wirtschaftspolitische Risiko unserer Zeit ist. Größtes Hemmnis für Unternehmen sind vor allem Nachweis-, Dokumentations- und Berichtspflichten wie die Statistikmeldungen.
Dass überzogene Bürokratie nicht nur finanzielle und personelle Belastungen verursacht, zeigt eine von der IHK beauftragte Erhebung aus dem Jahr 2023. Danach lösen bürokratischen Pflichten zunehmend Emotionen wie Wut, Zorn und Ohnmacht aus. Die Umfrage der IHK macht zudem deutlich, dass sich einige Unternehmen nicht mehr anders zu helfen wissen, als bürokratische Erfordernisse schlichtweg nicht mehr vollumfänglich umzusetzen.
„Auch Konstanz hat einen Wert an sich“, so Gößl. Gesetzesänderungen seien nur zielführend, wenn sich durch diese gravierend etwas verändere und die Wirkung zu Ende gedacht sei. Ein Paradebeispiel für „nicht zu Ende gedacht“ sei das Lieferkettengesetz, mit dem für gut die Hälfte der Unternehmen eine nicht leistbare Mammutaufgabe beschlossen wurde. Ausgehend von den aktuellen Entwicklungen lautet die klare Prognose: Firmensterben. „Die Mehrzahl der Betriebe in Bayern sind Soloselbstständige oder haben maximal 20 Mitarbeiter. Diese kleinen Betriebe – egal ob Metzger, Handwerksbetriebe, kleine Steuerbüros oder kleine Banken – werden weiter zurückgehen. Die ihnen abverlangten bürokratischen Aufgaben können nicht mehr geleistet werden.“
Neben den vielen düsteren Botschaften zeigten beide Referenten auf, wie es funktionieren kann.
Schwendner spricht sich dabei klar für die Realisierung einer Experimentierklausel aus. „Einfach mal mit weniger anfangen und dann weitersehen. Oft fehlen uns ausreichende Erkenntnisse, welche Maßgaben tatsächlich unumgänglich sind. Durch einen Auflagenvorbehalt kann auch zu einem späteren Zeitpunkt bei Bedarf korrigierend mehr gefordert werden.“
Deutlich wird, dass die EU der entscheidende Akteur auf dem Feld ist. Besonders fatal sei es, wenn bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht die Anforderungen durch den Bund zusätzlich erhöht werden. „Ein Gesetz analog zum „Anti-Gold-Plating-Gesetz“ in Österreich, das wäre mal ein neues Gesetz, welches ich begrüßen würde“, so Gößl. Er sieht gerade auch Bayern in der Pflicht, dem Bund ganz genau auf die Finger zu schauen und unbeirrt für eine Eins zu Eins Umsetzung von EU-Regularien einzutreten. „Bürokratieabbau ist der größte Hebel für mehr Produktivität. Es gilt alles zur Seite zu räumen, was uns hemmt.“
Positiv sieht Gössl: „Wir haben so viel Bürokratie aufgebaut – da haben wir viel Potenzial für den Abbau.“ Der klare Appel lautet: „Wir müssen es schaffen!“