Bei RED sehen Biogasanlagenbetreiber rot
25.07.2024
Entgegen der Vermutung steht RED eigentlich für GRÜN. Denn RED (Renewable Energy Directive) ist die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU und das Fundament für die europäische Erneuerbare-Energie-Politik. Ziel der Richtlinie ist es, den Anteil an erneuerbaren Energien am europäischen Energiemix bis zum Jahr 2030 auf mindestens 32 % zu erhöhen. Dieses Ziel wurde von der EU mit der Novelle RED III auf mindestens 42,5 % angehoben, wobei sich die Mitgliedstaaten um einen Anteil von 45 % bemühen sollen. RED soll damit einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele des Pariser Abkommens leisten.
Die aktuell gültige EU-Richtlinie RED II hat erstmals im Stromsektor feste (Holz) und gasförmige Biomasse (Biogas) in die RED einbezogen und wurde in Deutschland mit der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV) umgesetzt. Federführend ist hier das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).
Seit dem 1. Januar 2022 ist die Zertifizierung nach der BioSt-NachV für Biogasanlagen ab 2 Megawatt Feuerungswärmeleistung und Biomasseheizkraftwerke ab 20 Megawatt Feuerungswärmeleistung entscheidend für einen wirtschaftlichen Betrieb. Denn die kosten- und zeitintensive Zertifizierung sowie das Erstellen der Nachhaltigkeitsnachweise sind Voraussetzung für den Marktzugang und damit den Erhalt von Zahlungen aus dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
Gemäß BioSt-NachV müssen Biogasanlagenbetreiber
- sich bei einem Zertifizierungssystem registrieren und einen Vertrag abschließen,
- eine anerkannte Zertifizierungsstelle mit der Zertifizierung nach RED II beauftragen und
- jährlich eine Selbsterklärung von den Betrieben einholen, von denen sie Biomasse beziehen. Mit der Selbsterklärung bestätigten landwirtschaftliche Betriebe, die Biomasse für energetische Zwecke anbauen oder als Abfall/Reststoff abgeben u.a., dass die von ihnen gelieferte, nachhaltig erzeugte Biomasse von Ackerflächen stammt, die zum Referenzzeitpunkt 1. Januar 2008 Ackerland waren bzw., dass es sich um Abfall/Reststoff handelt.
Eine nach RED II zertifizierte Biogasanlage ist berechtigt, in der von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) betriebenen Web-Anwendung „Nachhaltige – Biomasse – Systeme“ (Nabisy) Nachhaltigkeitsnachweise (NNW) über von ihr erzeugte Strommengen auszustellen. Diese NNW sind quartalsweise zu erstellen und an den jeweiligen Netzbetreiber zu übermitteln. Sie bestätigen den Anspruch auf EEG-Vergütung für die ausgewiesene Strommenge. Die Anzahl der zu erstellenden NNW ergibt sich aus der Anzahl der eingesetzten Einsatzstoffe. Für eine Biogasanlage sind das beispielsweise bei fünf Einsatzstoffen und drei Blockheizkraftwerken 15 Nachhaltigkeitsnachweise pro Quartal bzw. 60 Nachhaltigkeitsnachweise pro Jahr.
Im Praxis-Check wurden für eine bestimmte zertifizierte Biogasanlage ca. 20.000 € Personalkosten für die Nachhaltigkeitszertifizierung errechnet. Hochgerechnet auf ca. 3.000 Anlagen wären das deutschlandweit rund 60 Mio. € Bürokratiekosten. Dies ist für den Beauftragten für Bürokratieabbau Walter Nussel, MdL nicht vertretbar.
Deshalb hat Nussel Vertreter der Bundesbehörden und der Landesministerien, des Fachverbands Biogas, der Agrokraft GmbH, des Zertifizierungssystems REDcert/SURE, der Zertifizierungsstelle IFTA AG, des Fachzentrums für Energie- und Landtechnik Triesdorf, des Energieversorgers Bayernwerk und betroffene Landwirte zum Praxis-Check Nachhaltigkeitszertifizierung eingeladen.
Beim Praxis-Check wurden grundsätzliche Vereinfachungen bei den Nachhaltigkeitsnachweisen für Bayern und Deutschland, die Anpassung des EEG bzgl. der Pönalen, die Entschärfung der Größenschwelle, die Dateneingaben in der Nabisy- und der Unionsdatenbank (UDB) und Vereinfachungen bei der Zertifizierung diskutiert.
Der Beauftragte unterstrich, dass Einigkeit darüber besteht, dass in Deutschland und vor allem in Bayern bei der verwendeten Biomasse kein Nachhaltigkeitsproblem besteht. Daher bittet er die Bundesbehörden zu prüfen, ob auf regionaler Ebene gesetzliche Vorgaben bestimmte Nachhaltigkeitskriterien sicherstellen.
Mit Blick auf Brüssel wäre es wünschenswert, künftig die Höchstgrenze auf Bemessungsleistung anstatt auf Feuerungswärmeleistung zu definieren und Schnittstellen zwischen der Nabisy-Datenbank und der Unionsdatenbank der EU (UDB) einzurichten. In der Nabisy-Datenbank eingestellte Nachweise sollten problemlos und automatisch an die UDB übermittelt werden können, um Inkonsistenzen, Doppeleingaben und Doppelanrechnungen zu vermeiden. Zudem sollten die Treibhausgasminderungspflichten für Bestandsanlagen bis 2031 aufgeschoben werden.
Nussel hat die Ergebnisse des Praxis-Checks den Bundesbehörden mit der Bitte um Prüfung zugeleitet und wünscht sich in der weiteren Umsetzung eine enge Zusammenarbeit. „Bei der nationalen Umsetzung der RED III darf es zu keinen weiteren bürokratischen Belastungen kommen“, so sein Fazit.
Am 21. November 2023 ist die überarbeitete Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED III in Kraft getreten und muss bis zum 21. Mai 2025 von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.